Schiri Marcel: Schalke hat doch einen Neuer

Der Bruder von Nationaltorhüter Manuel Neuer ist Schiedsrichter im Kreis Gelsenkirchen. - Ein Bericht von Christoph Winkel (fussball.de) -

Die Haare sind dunkler, die Hände aber mindestens genauso groß. Den Becher Kaffee in einem gemütlichen Café inmitten der Fußgängerzone von Gelsenkirchen-Buer umschlingen sie zumindest problemlos. Marcel Neuer trinkt seinen Kaffee schwarz und ist der Bruder von Welttorhüter Manuel Neuer. Der Gesichtsausdruck, die Mimik und die Bewegungen mit den Händen – der 30-Jährige ist seinem Bruder schon sehr ähnlich.

Marcel ist nur ein Jahr älter als Manuel und studiert katholische Theologie und Geschichte auf Lehramt an der Ruhr-Universität in Bochum. Erst letztens hat er seine Hebräisch-Prüfung bestanden. „Ein Segen“, sagt er. Das Studium ist fast beendet, danach geht’s ins Referendariat. Und wären nicht so schöne Termine wie das Champions-League-Finale 2013 in London oder die Weltmeisterschaft in Brasilien dazwischen gekommen, wäre er wahrscheinlich schon mit dem Studium durch.

Der Bruder des besten Torhüters der Welt zu sein, na klar, das macht Marcel Neuer schon stolz. Und doch ist er eben nur der große Bruder von Deutschlands Nummer eins. In Gelsenkirchen-Buer führt er sein eigenes Leben. Ein Leben in vollster Zufriedenheit übrigens. „Manuel hat als Kind auf vieles verzichtet, auf das ich nicht hätte verzichten wollen. Er hat für seinen Erfolg hart gearbeitet. Für ihn gab es eben nur die Schule und den Fußball“, sagt Marcel Neuer.
Hebräisch-Prüfung bestanden

Und trotzdem ist auch er sportlich seinen Weg gegangen. Seit 15 Jahren ist er Schiedsrichter, aktuell leitet er Spiele bis zur Oberliga. In der Regionalliga ist er regelmäßig als Schiedsrichterassistent im Einsatz, manchmal vor mehr als 6000 Zuschauern. In der Jugend-Bundesliga hat Neuer schon einige Spiele im Auftrag des Deutschen Fußballs-Bundes geleitet. Das alles für den FC Schalke 04. Bei den Königsblauen ist er aktives Mitglied, für sie ist er als Schiedsrichter im Einsatz. In der Vereinszeitschrift Schalker Kreisel hatten die Schalker vor 15 Jahren um Schiedsrichter geworben.

Im Kreis Gelsenkirchen ist Marcel Neuer einer der erfolgreichsten Schiedsrichter. Auf 70 bis 80 Einsätze kommt er pro Jahr. Als Lehrwart und Schiedsrichterbeobachter gibt er sein Wissen und seine Erfahrung im Kreis zudem weiter. Dass ihm der Sprung in die Bundesliga verwehrt geblieben ist, sei kein Problem. „Ich bewege mich im Schwellenbereich zum Profifußball. Das ist auf jeden Fall ein Erfolg. Diejenigen, die es noch höher geschafft haben, waren dann eben besser“, sagt er.

Vor anderthalb Jahren leitete Marcel Neuer das Spiel Manuel Neuer & Friends gegen die Dirk- Nowitzki-Allstars in Würzburg. Die Partie für den guten Zweck wurde sogar live im Fernsehen übertragen. Wegen einer Muskelverletzung, die sich der Schiedsrichter zuvor bei einem Lehrgang zuzog, musste er sich fit spritzen lassen. „Ich konnte und wollte Manuel auf keinen Fall absagen“, erklärt er. Gesagt, getan.

Dass der eine Bruder Schiedsrichter, und der andere Torwart geworden ist – für Marcel Neuer ist das kein Zufall: „Wir mögen beide eben das Besondere, lieben Entscheidungsfreudigkeit. Feldspieler stehen 20 an der Zahl auf dem Platz. Aber es gibt eben nur einen Schiedsrichter und zwei Torhüter.“

Marcel versuchte zunächst als Fußballer sein Glück. In der E-Jugend sogar beim FC Schalke 04. „Ich konnte die technischen Defizite durch Training aber nicht mehr ausgleichen“, sagt er. Ab und zu wird mit seiner Hobbytruppe noch in einer Sporthalle gezockt. Und wenn die Schiedsrichterauswahl der Stadt mal wieder ein Spiel bestreitet, dann schnürt auch Marcel Neuer gerne seine Schuhe. „Technisch schlecht, kämpferisch aber nicht aufgebend“, erklärt er mit einem Augenzwinkern und erzählt, dass Freunde ihm ein Schalke-Trikot zum Geburtstag schenkten, auf dessen Rückseite „Wemser“ geflockt ist. „Soviel dann zu meiner Spielweise“, sagt er und lacht.
Insel-Cup auf Ameland

Wenn es früher in den Sommerferien mit der Jugendfreizeit der Bueraner Kirchengemeinde St. Urbanus nach Ameland ging, dann kickten Marcel und Manuel sogar in einem Team. Der Café-Betreiber bringt die nächste Runde Kaffee und zeigt ein fast 20 Jahre altes Foto, auf dem auch Marcel und Manuel zu sehen sind. Marcel umklammert als nicht eingesetzter Spieler den Siegerpokal, Manuel trägt Torwartkluft. „Ja, der Insel-Cup auf Ameland. Mein größter fußballerischer Erfolg“, sagt Marcel und lacht. Heute begleitet Marcel die Jugend der Kirchengemeinde noch als Betreuer. Um den Insel-Cup wird übrigens noch immer gekickt.

Marcel hat noch eine Anekdote aus der Schulzeit parat. „Manuel ist nicht so der geborene Künstler“, sagt er. „Da habe ich schon mal morgens noch schnell sein Kunstbild gemalt und es ihm dann in die Klasse gebracht. Mensch Manuel, du hast wieder deine Kunstsachen zuhause vergessen, habe ich dann gesagt.“ Für das Werk gab es eine Zwei plus.

Selbstverständlich verfolgt Marcel die Spiele seines Bruders so oft es geht im Fernsehen. Manchmal auch live im Stadion in München. Doch wann immer es zeitlich passt, geht Marcel Neuer mit den Kumpels aus seinem Schalke-Fanclub in die Veltins-Arena. In der Nordkurve hat er seit vielen Jahren seinen Stammplatz. Blau und Weiß ist sein Glaubensbekenntnis. Dass sein Bruder schon lange nicht mehr das Schalker Tor vor der Nordkurve hütet, war vor dem Wechsel nach Bayern natürlich auch ein Thema zwischen den Brüdern. „Für Manuel ist der Fußball aber Beruf. Das kann morgen schon vorbei sein. Jeder strebt danach, beim besten Arbeitgeber unter Vertrag zu stehen. Daher habe ich seine Entscheidung verstanden.“

Zumindest ein Neuer steht ja noch regelmäßig für den FC Schalke 04 auf dem Rasen. Marcel, der mit den dunklen Haaren. Der Schiedsrichter.

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