FuPa-Interview mit unserem Schiedsrichterkollegen Sven Urban

„Das Wochenende gehört der Schiedsrichterei“

Sven Urban ist Schiedsrichter aus Leidenschaft und in seinem Fach inzwischen ein alter Hase. Im Interview erzählt er von den schönen, aber auch von den Schattenseiten seines Daseins.

Sonntag zehn Uhr, und Sven Urban – Schiedsrichter des Württembergischen Fußballverbandes – startet so langsam in den Tag. Am Tag zuvor schon ein Jugendspiel geleitet, gehört auch der Sonntagmittag, Nachmittag und frühe Abend dem Amateurfußball. Er fährt los zum Spielort, oftmals 50 oder 60 km weit, erkundet das Areal und sucht den Kontakt mit den Verantwortlichen und Trainern. „Man kann schon vor der Partie etwas für ein faires Miteinander tun“, so der Schiedsrichter aus Leidenschaft. Dann zieht er sich um, macht sich bereit.

Beim Anpfiff heißt es hochkonzentriert zu sein und mit großem Respekt an die Aufgabe 90 Minuten Amateurfußball heranzutreten. „Respekt zeigen und Respekt erhalten“, so das Motto von Sven Urban.

Mit welcher Motivation richtet Urban seine Wochenenden so konsequent nach dem Fußball aus? Was sind die Schattenseiten seines Jobs? Welche Botschaft hat er an alle Nachwuchsschiedsrichter? Das FuPa-Gespräch gibt Antworten auf diese und etliche weitere Fragen.

Julian Hermann: Lieber Sven, sonntags bist Du regelmäßig als Schiedsrichter in den Kreisligen im Einsatz. Treibst Du denn zumindest an den anderen sechs Tagen der Woche etwas Sport?

Sven Urban (29): Das Gebiet erstreckt sich über Ostwürttemberg hinaus, unter anderem bin ich auch in Hohenlohe, Neckar/Fils und Rems/Murr unterwegs. In der Bezirksliga sind es auch Stuttgart, Enz/Murr, Donau/Iller, die umliegenden Bezirke also.

Ich leite samstags oft Jugendspiele oder bin auch als Schiedsrichter-Assistent in der Landesliga unterwegs. Ich bin also meistens samstags und sonntags im Einsatz. Somit gehört das Wochenende der Schiedsrichterei.

Ich gehe in der Woche noch zweimal ins Fitnessstudio und das langt mir dann auch als Sport.

Wie sehr freust Du Dich jetzt über die spielfreie Zeit?

Spielfrei kann man es nicht nennen, denn es geht nahtlos weiter mit den Hallenturnieren.

Gab es in der Hinrunde einen Spieltag, der völlig ohne Aufreger auskam?

Ja, ein paar ruihige Spiele gab es. Meistens diejenigen, die deutlich ausgingen.

Kannst Du mal von einer besonders hitzigen Situation berichten?

Ich hatte in dieser Saison keine schlimmen Vorfälle, es lief alles fair ab, und ich hoffe, dass es in der Rückrunde auch so bleibt.

Vor kurzem war das Thema „Attacken gegen Schiedsrichter“ groß in den Medien, es ist zu schlimmen Vorfällen gekommen, Schiedsrichter wurden auf brutalste Weise tätlich angegangen. Hattest Du auch schon derart abscheuliche Erfahrungen?

Es sind sehr schlimme Taten, die meinen Kollegen erleben mussten, sowas gehört nicht zum Sport. Ich bin sehr froh, dass mir nicht mal ansatzweise gedroht wurde, oder irgendjemand gegen mich tätlich wurde.

Wie frustrierend ist es für Dich, häufig mindestens eine Mannschaft und deren Anhang gegen Dich zu haben?

Ich nehme das ganze sportlich. 90 Minuten lang haben die Akteure jeweils ihre Vereinsbrille auf. Solange man nach dem Spiel gemeinsam ein Bier trinken kann, weiß ich, dass alles gut war.

Ein typisches Beispiel: Nehmen wir an, es gibt ein klares Foulspiel  im eigenen Strafraum, die Reaktion der verteidigenden Mannschaft und deren Anhänger ist: kein Strafstoß. Kommt es jedoch zu einem ähnlichen Foulspiel im gegnerischen Strafraum, ist es für dieselben Leute auf einmal ein ganz eindeutiger Strafstoß.

Somit hat man als Schiedsrichter praktisch keine Chance, es beiden Teams recht zu machen.

Versuchst Du durch ein bestimmtes Auftreten, einen bestimmten Umgang mit den Spielern die allgemeine Aggressivität etwas abzudämpfen?

Der Ton macht die Musik. Was ich gelernt habe: Respekt zeigen und Respekt erhalten. Es ist sehr wichtig, nicht irgendeine Dominanz zu zeigen und die besondere Position als Schiedsrichter auszunutzen. Damit komme ich ganz gut durch, jedoch gibt es immer wieder Spieler, denen nicht zu helfen ist, dann müssen die halt mal frühzeitig duschen gehen.

Lass uns etwas über die schönen Seiten Deiner Berufung sprechen. Wie läuft ein perfekter Sonntag für Dich ab?

Natürlich ausschlafen, anschließend Frühstücken und etwas entspannen bei den Bundesliga-Zusammenfassungen. Wenn das Wetter mitspielt, noch etwas spazieren und dann wird es so langsam Zeit, sich auf den Weg zum Spiel zu machen, damit ich mindestens eine Stunde vor dem Anpfiff vor Ort bin.

Am Spielort angekommen, stelle ich mich beiden Trainern, unterhalte mich mit ihnen und trinke gerne noch einen Kaffee. Dann geht es auch schon zum Umziehen. Nach dem Spiel trinke ich, wie bereits erwähnt, mit den Mannschaften ein Bier und esse eine rote Wurst. Dann geht es bereits auf den Heimweg. Abends treffe ich mich dann noch mit Freunden.

Was war denn das Schönste, was Dir ein Spieler bislang gesagt hat?

Es gab viele nette Aussagen: „Du darfst gerne wieder kommen“, „Endlich mal ein junger Schiri“, „Obwohl wir verloren haben, war deine Leistung sehr gut“ …

Warum tust Du dir Deinen Job überhaupt an? Woher kommt und woraus speist sich Deine Leidenschaft für das Schiedsrichter-Dasein?

Weil es Spaß macht. Und ich sehe es nicht als einen Job an. Mein ehemaliger Trainer hat sich für den Schirikurs angemeldet und mich ebenfalls gefragt, ob ich Interesse hätte, und ein Mitspieler war ebenfalls Schiri, der mir schon einiges von den Aufgaben eines Schiris berichtet hat. So kam ich dazu.

Mir hat es von Anfang an sehr viel Spaß gemacht und, wie man sieht, macht es mir immer noch Spaß. Jedoch stand ich vor einer schweren Entscheidung, selber aktiv zu pfeifen, oder noch weiterhin aktiv zu kicken… Da ich keine halben Sachen mehr machen wollte, habe ich mich für das Pfeifen entschieden, was ich heute nicht bereue.

Wie gehst Du damit um, wenn Du erkennst, dass Du eine Fehlentscheidung getroffen hast?

Zu der Fehlentscheidung stehen und wenn möglich korrigieren. Ich habe mal ein Abseits gepfiffen und einen Spieler an der Eckfahne übersehen, natürlich war das Geschrei erstmal groß. Ich habe meinen Fehler eingestanden und mit einem Schiri-Ball das Spiel fortgeführt. Das kam dann auch bei beiden Teams sehr gut an.

Hat ein Schiedsrichter ein Schiedsrichter-Vorbild?

Natürlich gib es auch sowas, Du willst jetzt sicher wissen, wer meines ist.

Leider musste er wegen der Altersgrenze im Profifußball aufhören: ganz eindeutig Knut Kircher.

Und warum?

Er ist eine echte Persönlichkeit und gibt seinem Heimatbezirk, dem WFV, auch viel zurück. Er hat eine besondere Ausstrahlung – es sah bei ihm immer so einfach aus.

Sven Urban neben seinem Idol, der Schiedsrichter-Legende Knut Kircher (rechts). In diesem Jahr wurde Urban für 15 Jahre ehrenamtlichem Schiedsrichter-Dienst geehrt. Außerdem auf der Bühne: Frank Dürr (links) & Guiseppe Palilla (2. v. l.).

 

Für welchen (Profi-)Fußballverein brennst Du privat?

Brennen tue ich für keinen Verein. Ich freue mich, wenn der VfB Stuttgart gewinnt und hoffe, dass die zurück in die erste Liga kommen.

Welches Team würdest Du gerne einmal pfeifen?

Die Deutsche Nationalmannschaft.

Macht es heute mehr Spaß, Schiedsrichter zu sein, als früher? Oder umgekehrt? Oder: Gibt es gar keinen Unterschied?

Schwere Frage… 2004 habe ich meinen Schirikurs gemacht und bis 2010 nur Jugendspiele geleitet. Für mich persönlich gibt es da keinen Unterschied.

Wie beurteilt ein Fachmann den Video-Schiedsrichter in den Profiligen?

Da habe ich die Schiedsrichter-Perspektive: Natürlich ist es für den Schiedsrichter auf dem Spielfeld eine enorme Erleichterung, denn verdeckte oder entgangene Handspiele, Abseits oder Fouls können bewertet und geahndet werden. Vielen Zuschauer ist leider nicht bewusst, wann ein VSR eingreifen darf und wann nicht…

Zum Schluss drei Aussagen, die Du einfach vervollständigen musst!

Zum roten Karton greife ich sofort, wenn…

es zu einer Tätlichkeit oder Beleidigung kommt.

Spieler, Trainer & Fans vergessen im Umgang mit Schiedsrichtern schnell mal, dass…

wir nur Menschen sind und auch Fehler machen.

Allen Nachwuchs-Schiedsrichtern rate ich, …

dass sie sich von den schlimmen Momenten nicht abschrecken lassen sollen – es gibt als Schiri viel mehr schöne Momente.

Lieber Sven, vielen Dank für das Gespräch.

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